Pressegespräch "Wenn Heldinnen die Luft ausgeht: Frauen in der Corona Krise"

Pressegespräch anläßlich des internationalen Frauentags am 8.3.

Wenn Heldinnen die Luft ausgeht: Frauen in der Corona Krise
Frauen sind Heldinnen der Krise, doch auch Heldinnen geht die Luft aus, wenn das Fundament  sozialer Sicherheit fehlt. 
Bereits vor der Corona Krise verlangten die Herausforderungen des Alltags Frauen oft Heldinnentaten ab, die Corona Krise macht bereits davor bestehende Probleme und Benachteiligungen noch deutlicher sichtbar: Durch die Vorgabe, Kinder möglichst daheim (während der Arbeit im Home-Office) zu betreuen, fühlen sich Frauen noch mehr zerrissen zwischen familiärer und beruflicher Verpflichtungen.
So gaben deutlich mehr als die Hälfte (63 %) der im Rahmen der AK Schulkostenstudie befragten Eltern an,  sich durch die Kinderbetreuung sehr bzw. ziemlich gestresst zu fühlen und 48% der Eltern hatten zeitliche Probleme ihr Kind/ihre Kinder beim Distance Learning zu unterstützten.

Dieser Stress, nicht zuletzt bedingt durch Schul- und Kindergartenschließungen hat bewirkt, dass Frauen, die schon vor Ausbruch der Pandemie in Teilzeit beschäftigt waren ihre Arbeitsstunden weiter reduziert haben. Die bereits davor bestehende Gefahr in die (Alters) Armut abzugleiten, hat sich dadurch für Frauen verstärkt. „Ich will dazu beitragen dass wir dieses Virus besiegen, aber ich kann manchmal echt nicht mehr“ so hat es Maria K., Mutter von zwei Mädchen, beschrieben: 12 Monate Pandemie bedeutet für viele Frauen: wachsender finanzieller Druck, Ressourcen zur Krisenbewältigung mobilisieren, zusätzliche Sorgearbeit inklusive Homeschooling, beruflichen und privaten Alltag um- und auch immer wieder neu organisieren.
Frauen übernehmen allerdings auch ohne Pandemie immer noch den Großteil der unbezahlten Familienarbeit, arbeiten öfter Teilzeit, um Hausarbeit, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen zu organisieren– am Ende mit einer Pension, die  um 43 Prozen geringer ist als jene von Männern.
 

Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte trifft die Corona Krise mit ganz besonderer Wucht:
Bereits vor der Krise bestehende Diskriminierungen werden nun verschärft, denn geflüchtete Frauen leben aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen oftmals in beengten Wohnverhältnissen. Sprachliche Barrieren und  fehlende Kontaktmöglichkeiten erschweren den Zugang zu Gesundheits- Bildungs- oder Gewaltschutzmaßnahmen. Hier beginnt sich die Angstspirale der Krise zu drehen: Ängste und Unsicherheiten, die uns alle in der Krise betreffen, werden durch fehlende oder unverständliche Informationen, sowie Einsamkeit und soziale Isolation verstärkt.  
Ebenso stellt der Zugang zu digitalen Medien häufig eine Hürde dar. Eine Hürde, die es vielen Eltern erschwert oder verunmöglicht hat ihre Kinder im Homeschooling zu unterstützen. 

Die vermehrten psychosozialen Belastungen durch Beruf, Haushalt, Erziehung, Betreuung und Versorgung von Kindern und Angehörigen, denen Frauen in der Corona-Krise verstärkt ausgesetzt sind, bringen Frauen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit: Erfahrungen aus den Frauenberatungsstellen zeigen Überbelastung, Arbeit, Planungsunsicherheit, Abhängigkeit, fehlenden Handlungsspielraum und Gewalt.
Elisabeth M. lebt mit ihren 3 Kindern (2, 4 und 10 Jahre), ihrer pflegebedürftige Mutter sowie ihrer pflegebedürftigen, dementen Großmutter im gleichen Haushalt. Sie ist mit Home Schooling, Kinderbetreuung auf Grund geschlossenen Kindergartens, eigener Arbeitssuche und Pflege mehr als belastet: „Ich weiß gar nicht mehr, wie ich alles schaffen soll und bin schon bei der kleinsten Kleinigkeit am Ende meiner Kräfte.“

Frauen haben in der Krise Heldinnentaten vollbracht: beruflich und privat.
Aber was die Krise zeigt wird nicht von selber gut und auch Heldinnen geht die Luft aus ohne ausreichende Ressourcen. Es geht nicht nur um individuell wirksame psychosoziale Maßnahmen, sondern um umfassende strukturelle Veränderungen zur Verbesserung der Situation von Frauen.

Was es braucht -  in der Corona Krise aber auch darüber hinaus. 

  • Neubewertung von Sorgearbeit
  • Fairness in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit
  • flächendeckende,  qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote
  • hochwertige und zuverlässige schulische Angebote (auch während einer Krise!)
  • Informationsangebote, die die Vielfalt unserer Gesellschaft wiederspiegeln
  • Abbau digitaler Barrieren
  • Unbürokratische, finanzielle Soforthilfen 
  • Bausteine sozialer Sicherheit krisenfest machen und weiterentwickeln
  • Niederschwellige, kostenfreie psychosoziale bzw. psychotherapeutische Versorgung

Am virtuellen Podium:

  • Barbara Bühler, Obfrau und Koordinatorin NÖ Armutsnetzwerk
  • Alexandra Koschier, Lilith Frauenberatung Krems
  • Gerda Schilcher, AK Niederösterreich
  • Martina Eigelsreiter, Büro für Diversität Magistrat St. Pölten
  • Ursula Dullnig, Diakonie Flüchtlingswerk